CONCORDIA Pressereise nach Bulgarien
Einmal im Jahr haben wir die Möglichkeit, JournalistInnen im Zuge einer Pressereise mit den Herausforderungen der Menschen, die wir unterstützen, in direkten Kontakt zu bringen, und einen breiteren Kontext zu unserem Unterstützungsprogramm zu geben.
Dieses Jahr führte uns die Pressereise zu unseren KollegInnen nach Bulgarien. Sieben JournalistInnen folgten unserer Einladung und haben sich vergangene Woche intensiv mit dem bulgarischen Bildungssystem und den Lebensrealitäten von marginalisierten Gruppen auseinandergesetzt.
Erschütternde Lebensumstände fernab akuter Krisen
Bulgarien ist gemeinsam mit Rumänien seit 2007 EU-Mitglied. Wie kann hier die Rede von Elend sein? Leider kann man die Lebensumstände, in denen manche Familien in Bulgarien leben, nicht anders benennen. Kein Wasser, keine Heizung, keine Anbindung an Infrastrukturen – es sind Menschen, die am Rande der Gesellschaft in zusammengeflickten Zelten leben und sich arrangiert haben. Ohne externe Unterstützung, die fehlt oder zu wenig ist, fällt es schwer an ein besseres Leben zu glauben. Plötzlich fühlt man sich viel weiter weg, als knappe 1,5 Flugstunden von Wien entfernt.
Durch Misswirtschaft und Korruption ist in Bulgarien im letzten Jahrzehnt bei weitem nicht soviel erreicht worden, wie es hätte sein können. Bulgarien hat multiple Herausforderungen zu bewältigen. Auch die aktuelle Regierung – in den letzten drei Jahren wurde fünf Mal gewählt – steht auf wackeligen Beinen. Die politische Umsetzung – u.a. fehlt seit 2018 ein Konzept für Bulgarien zur Erreichung der „EU – Kinder-Garantie bis 2030“ – leidet nicht zuletzt an der politischen Instabilität. In ganz Bulgarien gibt es kein Kinderspital, erfahren wir von einem unserer externen ExpertInnen. Und auch über das Versäumnis, benachteiligten Kindern und jungen Erwachsenen genügend und qualitativ hochwertige Bildungsangebote zu machen. Sogenannte "Roma-Schulen", in denen die SchülerInnen überwiegend oder ausschließlich Roma-Kinder sind, verschärfen die Segregation und schaffen ein schlechtes Bildungsumfeld.
Bulgarien ist eines der Länder mit der am schnellsten schrumpfenden Bevölkerung der Welt. Seit der Balkanstaat vor drei Jahrzehnten von einem totalitären System zu einer freien Marktwirtschaft übergegangen ist, ist die Bevölkerung des Landes um fast ein Viertel geschrumpft, von knapp 9 Millionen auf heute 6,5 Millionen. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, wird die Bevölkerung Bulgariens bis 2050 weiter auf etwa 5,4 Millionen Menschen schrumpfen. (Quelle: Nationales Statistik Institut) Das Land ist auch an der Spitze, wenn es um die Höhe des Risikos von Armut und sozialer Ausgrenzung für Kinder geht. Im Jahr 2021 ist jedes dritte Kind in Bulgarien von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht (33 % gegenüber 21,7 % im Durchschnitt der EU-27). Roma-Gemeinschaften in Bulgarien werden trotz verschiedener staatlicher Strategien weiterhin diskriminiert. (Minority Rights Group Europe).
Soziale Inklusion, die Einhaltung der Kinderrechte in Bulgarien, der Umgang mit vulnerablen Gruppen - über diese Themen und Herausforderungen konnten wir externe Interviews mit der Sozial- und Arbeitsministerin von Bulgarien, Dr. Ivanka Shalapatova, dem Direktor des nationalen Netzwerks für Kinderrechte, Georgi Bogdanov, und dem Direktor von Social Trust Achievement, Ognyan Isaev, arrangieren.
Beim Besuch eines unserer Tageszentren in Sofia, sowie unserem jüngsten Tageszentrum im Dorf Malki Iskar, 80km von Sofia entfernt, konnten die JournalistInnen mit unseren ProfessionalistInnen – SozialarbeiterInnen, PsychologInnen, PädagogInnen – ins Gespräch kommen und Einblicke in die konkrete Arbeit erlangen. Was wir dabei auch sehen konnten: dass die Hilfe ankommt, und wir mit unserem Angebot einen entscheidenden Unterschied für Kinder, Jugendliche und ihren Familien ausmachen.
Einen weiteren Fokus haben wir mit dem Treffen mit unserer Psychologin und Sozialarbeiterin aus dem CONCORDIA Krisenzentrum für Kinder mit Gewalterfahrung gelegt. In ganz Bulgarien ist es das einzige Krisenzentrum, ausschließlich für Kinder. Im Jahr 2021 veröffentlichte UNICEF Bulgarien einen ausführlichen Bericht über Kindesmissbrauch. Es ist die erste umfassende Studie ihrer Art für Bulgarien, da sie die Erhebung von Daten über alle Formen von Gewalt gegen Kinder in verschiedenen Umfeldern sowie eine gründliche Bewertung der Kapazitäten der zuständigen Dienste zur Bekämpfung dieses Phänomens miteinbezieht. Die Ergebnisse sind schockierend: Jedes zweite Kind (47 %) bis zum Alter von 18 Jahren hat irgendeine Form von Gewalt erlebt.
3.654 Schutzanordnungen gegen häusliche Gewalt wurden für das Jahr 2022 ausgestellt, 1.061 davon betreffen Kinder. 2.355 Anordnungen wurden bis Ende Juli 2023 ausgestellt, und die Zahl der Kinder für den gleichen Zeitraum beträgt 768. (UNICEF)
Die redaktionellen Beiträge, die im Zuge der Pressereise entstanden sind, werden hier mit Veröffentlichung verlinkt.
Compliance Hinweis: Die Reise wurde von CONCORDIA finanziert.