Förderung integrativer Lern- & Lebensmöglichkeiten - FILLO
Ein Projekt zur Förderung von inklusiven Lern- und Lebensmöglichkeiten in der Republik Kosovo
Laufzeit: 01.10.2021 - 30.06.2025
Land: Kosovo
Ort: Tranzit, Prizren
Gefördert durch: Katholische Zentralstelle für Entwicklungshilfe, Renovabis
Pfade: Kinderbetreuung, Gemeinschaftsbasierte Intervention, Allgemeine und Berufsbezogene Bildung, Beschäftigung und Social Business, Empowerment
SDGs: 2, 3, 4, 5, 10
Ansprechpersonen:
Kurzbeschreibung
CONCORDIA Projekte Sociale Kosovo (CONCORDIA) hat im Jahr 2021 die operative Verantwortung über ein inklusives und pädagogisches Tageszentrum übernommen - das CONCORDIA Tranzit Centre. Das Zentrum befindet sich im Herzen der Tranzit-Gemeinde in Prizren, in der viele Familien mit Roma-, Ashkali und ägyptischen Wurzeln leben. Die Gemeinde Prizren ist mit rund 180.000 EinwohnerInnen die Zweitgrößte im Kosovo und ist eine der kulturell und ethnisch heterogensten Gemeinden des Landes. Das CONCORDIA Tranzit Centre bietet pädagogische Aktivitäten im Bereich der frühkindlichen Bildung, Hausaufgabenbetreuung und eine tägliche warme Mahlzeit. Musiklehrkräfte bieten Einzel- und Gruppenunterricht an und das Zentrum verfügt über eigenen Chor und Orchester Ensembles. Außerdem werden direkte Basisdienste sowie soziale und psycho-emotionale Beratung angeboten.
FILLO stellt ein multidisziplinäres Team aus Sozialarbeitern, Psychologen, Krankenschwestern, Pädagogen und einem Koordinator zusammen welches die spezifischen Bedürfnisse ermittelt und die erforderlichen integrierten sozialen Dienste für die Zielgruppen bereitstellt. Je nach den identifizierten Bedürfnissen werden die Dienstleistungen entweder im CONCORDIA Tranzit Center oder in der unmittelbaren Umgebung und in den Familien erbracht. FILLO wird das bestehende Programm des CONCORDIA Tranzit Centres weiterentwickeln und eine integrierte Leistungserbringung sicherstellen. Dadurch wird das Tageszentrum in ein Gemeindezentrum umgewandelt, das gefährdete Kinder, Jugendliche, Frauen und Familien direkt unterstützt. Die Erbringung integrierter sozialer Dienstleistungen auf Gemeindeebene wird aufgrund ihres ganzheitlichen, präventiven Charakters den Zugang zu qualitativ hochwertigen sozialen Dienstleistungen gewährleisten und erhebliche soziale Auswirkungen haben. Darüber hinaus werden die verbesserten Dienstleistungen von einer Reihe von Sensibilisierungsmaßnahmen und einer Advocacystrategie begleitet die langfristig gewalttätiges und missbräuchliches Verhalten verhindern werden.
Projekthintergrund
Nach Angaben des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) lebt jedes zweite Kind im Kosovo in Armut. Zwei Drittel der Kinder aus den Gemeinschaften der Roma, Aschkali und ÄgypterInnen leben in Armut und eines von Drei in extremer Armut. In einem Land, das noch immer unter den Folgen des Krieges leidet und die jüngste Bevölkerung Europas beherbergt, sind starke, unterstützende Familien und der Zugang zu hochwertiger Bildung der Schlüssel, um Kindern und Jugendlichen den Weg aus der Ausgrenzung in eine vielversprechende Zukunft zu ermöglichen. Um diesen Wandel herbeizuführen, müssen die folgenden Grundursachen angegangen werden:
- In den Gemeinschaften der Roma, Aschkali und ÄgypterInnen sind die Kinder besonders gefährdet: Armut ist ein Schlüsselfaktor für den Lebensverlauf eines Menschen und bestimmt den Zugang zu Bildung, öffentlichen Dienstleistungen und dem Arbeitsmarkt. Kinder und Jugendliche sind am stärksten von Armut betroffen, wenn ihnen Chancen verwehrt werden. Aus UNICEF-Berichten geht hervor, dass mehr als zwei Drittel der Kinder im Alter von 1 bis 14 Jahren körperliche und psychische Misshandlungen erlebt haben. Fast jedes zweite Roma-, Aschkali und ägyptische Mädchen wird voraussichtlich vor seinem 18. Geburtstag verheiratet werden (bei 14 % der Jungen ist dies der Fall). Eines von zehn Mädchen wird verheiratet, bevor es 15 Jahre alt ist. Fast 20 % der Kinder aus Roma- und Aschkali-Gemeinschaften müssen arbeiten.
- Fehlender Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung: Viele Roma-, Aschkali und ägyptische Kinder und Jugendliche aus diesen Gemeinschaften haben nach wie vor keinen Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Bildung und versäumen den Unterricht und brechen ihn früher ab als ihre AltersgenossInnen. Während die Kinder im Kosovo fast alle die Grundschule besuchen (98 %), gilt dies nur für 85 % der Kinder aus Roma-, Aschkali und ägyptischen Gemeinschaften. Nur zwei von drei Kindern aus diesen Gemeinschaften besuchen die erste Klasse im Grundschulalter. Im Gegensatz zur Grundschulbildung erhalten nur 14 % der Kinder im Kosovo eine frühkindliche Bildung, so dass die Kinder oft nur unzureichend auf den Besuch der Grundschule vorbereitet sind. Jedes vierte Mädchen und jeder zehnte Junge aus Roma-, Aschkali und ägyptischen Gemeinschaften schließt die Grundschule nicht ab, und "noch mehr Kinder [...] gehen beim Übergang zur Sekundarstufe verloren." (UNICEF).
- Diskriminierung und Arbeitslosigkeit: Im Jahr 2019 befanden sich vier von fünf jungen Menschen im Alter von 18 bis 24 Jahren aus den Gemeinschaften der Roma, Aschkali und ÄgypterInnen nicht in Bildung, Beschäftigung oder Ausbildung. Die anhaltende Geschlechterdiskriminierung verwehrt Frauen den Zugang zu wirtschaftlichen, politischen und sozialen Chancen. Geschlechtsspezifische Gewalt ist nach wie vor traurige Realität: Eine von fünf Frauen im Kosovo berichtete 2019 über körperliche oder sexuelle Gewalt und fast eine von drei Frauen über sexuelle Belästigung. Menschen aus Roma-, Aschkali und ägyptischen Gemeinschaften sind auf dem Arbeitsmarkt besonders diskriminiert. Nur einer von vier Beschäftigten hat einen unbefristeten Arbeitsvertrag, was bedeutet, dass die Mehrheit der ArbeitnehmerInnen in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeitet und besonders anfällig für Ausbeutung ist. Allerdings sind nur wenige als Arbeitssuchende registriert, was der Abwanderung und den Strukturen der informellen, nicht angemeldeter Arbeit fördert.
Ziele des Projekts
Das Projekt ermöglicht gefährdeten Kindern, Jugendlichen, Frauen, Familien und Gemeinschaften in der Gemeinde Prizren ein selbstbestimmtes Leben frei von Marginalisierung und Diskriminierung.
- Projektziel 1 (Systemische Dimension): Ein professionelles multidisziplinäres Team stärkt das lokale soziale Dienstleistungssystem in der Gemeinde Prizren.
- Projektziel 2 (Individuelle Dimension): Gefährdete Einzelpersonen (insbesondere Kinder, Jugendliche und Frauen) und Familien in der Gemeinde Prizren zeigen ein verbessertes Wohlbefinden in Bezug auf Gesundheit, Bildung und Arbeitsmarktintegration.
- Projektziel 3 (Soziale Dimension): Die Gemeinden in der Gemeinde Prizren sind für die Rechte von Kindern sensibilisiert und gefährdete Kinder und Jugendliche wenden sich an CONCORDIA, um Hilfe und Beratung zu erhalten.
Strategische Umsetzung
Bestehende und geplante Aktivitäten werden die Landschaft der sozialen Dienste in der Gemeinde Prizren ergänzen. Zusammen mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen in Prizren wird CONCORDIA die Dienste des Zentrums für Sozialarbeit (CSW) ergänzen und in konkreten Fällen zusammenarbeiten. FILLO zielt darauf ab, integrierte Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsdienste anzubieten. Nachhaltige Maßnahmen zur sozialen Eingliederung werden Einzelpersonen und Familien dabei unterstützen, sich aus ihrer Gefährdung und Marginalisierung zu befreien. Die Aktivitäten, Interventionen und Dienstleistungen werden auf der Grundlage eines ganzheitlichen Ansatzes durchgeführt, der auf die ermittelten Bedürfnisse der Zielgruppen in den folgenden drei Bereichen zugeschnitten ist:
- Systemische Dimension: Aufbau eines multidisziplinären Teams, das die Professionalität bestehender Dienste im Sinne des CONCORDIA Tranzit-Zentrums weiterentwickelt und direkte Unterstützung und Gemeinschaftsinterventionen in die Landschaft der sozialen Dienste in der Gemeinde Prizren integriert;
- Individuelle Dimension: Sicherstellung des Wohlergehens der am meisten gefährdeten Personen und Familien in der Gemeinde Prizren;
- Soziale Dimension: Unterstützung der Gemeinden im Allgemeinen bei der Sensibilisierung für alle Formen von Gewalt gegen Kinder und Frauen und beim Aufbau von Kapazitäten zur Unterstützung von Kindern und jungen Menschen.
Zielgruppen
FILLO hat die folgenden direkten Zielgruppen identifiziert:
- Kinder (im Alter von 0 - 18 Jahren, insbesondere diejenigen, die von extremer Armut betroffen und Missbrauch, Vernachlässigung und Diskriminierung ausgesetzt sind);
- Jugendliche (18 - 25 Jahre, vor allem diejenigen, die weder in Ausbildung noch in Beschäftigung sind);
- Frauen (insbesondere Mütter mit vielen Kindern, minderjährige Mütter, Mütter von Kleinkindern, alleinstehende Mütter);
- Eltern, die Hilfe bei der Unterstützung ihrer Kinder oder bei der Arbeitssuche suchen (vor allem Eltern von Leistungsempfängern des CONCORDIA-Tranzit-Zentrums);
- Familien, die vom Auseinanderbrechen bedroht sind, die von extremer Armut betroffen sind, die Betreuung von Kindern oder Erwachsenen mit Behinderungen suchen, und Gruppen von Geschwistern, die von ihren Eltern zurückgelassen wurden.
Darüber hinaus werden die folgenden indirekten Zielgruppen durch das Projekt erreicht:
- Angehörige der Roma-, Aschkali und ägyptischen Gemeinschaften und anderer gefährdeter Gemeinschaften;
- Formelle und informelle Führungspersönlichkeiten in den Gemeinschaften;
- Fachleute aus dem sozialen Bereich (LehrerInnen, SozialarbeiterInnen, medizinisches Personal) von CSW, zivilgesellschaftlichen Organisationen und institutionellen Einrichtungen;
- VertreterInnen der katholischen Kirche der Diözese Pristina-Prizren;
- VertreterInnen der Kommunalverwaltung von Prizren;
- Andere Akteure (nationale Behörden, Ministerien, Finanzierungs- und Entwicklungsagenturen).
Das Projekt zielt auf Unterstützungssysteme ab, die das unmittelbare und erweiterte Umfeld für Kinder, Jugendliche und Familien bilden. FILLO wendet sich an bestimmte Akteure in jedem dieser Unterstützungssysteme, um deren Unterstützung zu gewinnen und zu erhalten und sie in das laufende Projekt oder in Folgeaktivitäten einzubinden. Auf diese Weise erreicht CONCORDIA Familien, SozialarbeiterInnen und LehrerInnen, die eine entscheidende Rolle dabei spielen, Kindern und Jugendlichen zu helfen, ihre Gefährdung zu überwinden und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Um durch Advocacykampagnen eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, werden VertreterInnen der lokalen Regierung, der CSW, von Bürgerrechtsorganisationen sowie lokale, regionale und internationale staatliche und nichtstaatliche Akteure angesprochen.
Politischer Bezug
Der derzeitige Interventionsansatz von FILLO gewährleistet die langfristige Umsetzung von inklusiven, umfassenden sozialen Dienstleistungen in der Gemeinde Prizren. Langfristiger, systemischer und sozialer Wandel baut auf den folgenden Bausteinen auf: (1) die Rekrutierung von geschultem Personal; (2) die systematische Identifizierung der am stärksten gefährdeten Familien und Gemeinden, (3) die daraus resultierende Entwicklung notwendiger Interventionen und (4) die Implementierung von Interventionsmodellen und Standardarbeitsverfahren. CONCORDIAs Ziel ist es, dass das ganzheitliche Interventionsmodell von FILLO auf andere Länder übertragen werden kann.
CONCORDIA unterstützt die Umsetzung der aktuellen Nationalen Strategie zum Schutz der Kinderrechte (2019-2023) voll und ganz. FILLO wird dazu beitragen, mit politischen EntscheidungsträgerInnen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, lokalen Behörden, Fachleuten des sozialen Sektors und InteressenvertreterInnen der Gemeinschaft zusammenzuarbeiten, um die bestehenden erheblichen Lücken zu schließen. Bei konsequenter Umsetzung wird der Aktionsplan einen großen Beitrag zur Verringerung von Kinderarmut, Kinderarbeit, Vernachlässigung von Kindern, Gewalt und frühen Eheschließungen sowie zur Verbesserung der Bildungschancen im Kosovo insgesamt leisten.
Die Stadtverwaltung von Prizren wurde mit der Ausarbeitung eines lokalen Aktionsplans für die Integration von Roma, Aschkali und ägyptischen Gemeinschaften beauftragt. Dieser wurde schließlich in Zusammenarbeit mit dem "Kosovo Education and Employment Network" für die Jahre 2019 bis 2023 formuliert und vom Stadtrat ratifiziert. Im Vorfeld der Gründung von CONCORDIA Projects Sociale Kosovo und der Projektvorbereitung fanden Treffen mit der Leitung des CSWs und der Gleichstellungsbeauftragten des Gemeinderats für Roma, Aschkali und ÄgypterInnen statt.